Reutlinger Generalanzeiger 4. März 2011
Von barock bis modern
PLIEZHAUSEN. Die Pliezhausener Rathauskonzerte starteten am Sonntagabend mit wahrlich Ungewohntem ins Konzertjahr 2011: Die selten gehörte kammermusikalische Duett-Besetzung Violine und Querflöte stand auf dem Programm. Wer diese ungewöhnliche Kombination ausschließlich in der Barockmusik verortet, wurde eines Besseren belehrt: Katharina von Harten, Violinistin im Staatsorchester Stuttgart, und Valerio Fasoli, Dozent an der Pai Chai University in Daejeon, durchstöbern die Musikgeschichte nach entsprechendem Material. Aus der akribischen Recherche resultiert eine Zeitreise durch 300 Jahre Musik, und so gut wie nie gehörte Komponisten gelangen zur Aufführung.
Zum Beispiel der Barockkomponist Joseph Bodin de Boismortier, mit dessen Sonate in g-Moll von Harten und Fasoli in alle Facetten zwischen Empfindsamkeit und Leichtigkeit der barocken Kammermusik einführten. Präzise und routiniert überzeugten beide mit klarem Ton und ausgeglichener Dynamik. Über die Schwelle zur Klassik, die mit einem ebenfalls selten gehörten Duett von Carl Philipp Emanuel Bach beschritten wurde, gelangten von Harten und Fasoli rasch bis fast in die musikalische Gegenwart. Jenö Takács' elf Variationen über ein Thema von Paisiello spiegeln selbst eine komprimierte Musikgeschichte von Bach bis Bartók wider. Die Auseinandersetzung mit den Stilen kam hörbar zur Geltung, und die Zunahme an Intensität, die vom Galanten bis ins Impressive und Experimentelle reicht, wurde überzeugend nachgezeichnet.
Mit experimentellen Klängen
Nach einem weiteren Rückblick in die Geschichte - die reizvolle und anmutige Melodik François Deviennes - folgte mit Harald Genzmers Divertissement der Höhepunkt und gleichzeitig der schärfste Kontrast im Programm. Nur noch die ungewöhnliche Besetzung und die charakteristische Farbigkeit der Instrumente gemahnen demütig an die Tradition - der Spannungsreichtum der neuen Musik mit technischen Finessen und experimentellen Klängen steht im Vordergrund. Und hier zeigt sich die Stärke der Interpreten am deutlichsten: Ihre vernehmbare Faszination für neue Musik verbindet sich hervorragend mit den Traditionen der ungewöhnlichen Besetzung.